Signalkoordinierung (LSA-Versatzzeit-Optimierung)
Grünzeit- und Umlaufzeitoptimierung beziehen sich jeweils auf Signalprogramme einzelner Signalanlagen. Dagegen dient die Versatzzeit-Optimierung dazu, den Versatz zwischen den Signalzeiten an benachbarten Knoten so zu optimieren, dass die Fahrzeuge mehrere aufeinander folgende Lichtsignalanlagen bei Grün passieren können. Allgemein ist das Ziel, die Gesamtwartezeit aller Fahrzeuge an signalisierten Knoten (Oberknoten) zu minimieren.
Hinweise: Attribute der Knotengeometrie sind für die Koordinierung nicht wirksam. Insbesondere spielt die Haltelinienposition der Fahrstreifen keine Rolle. Signalisierte Knoten (Oberknoten) ohne gültiges Signalprogramm werden als abgeschaltet betrachtet und bei der Signalkoordinierung nicht berücksichtigt. |
Die Signalkoordinierung als Bestandteil der netzweiten Signaloptimierung eignet sich für die Optimierung von Signalanlagen in einem Netz, nicht nur entlang eines linearen Korridors, wie es der klassischen Optimierung grüner Wellen entspricht.
Eine gute Koordinierung setzt voraus, dass die LSA entweder gleiche Umlaufzeiten aufweisen oder dass die Umlaufzeiten zumindest in einem einfachen Zahlenverhältnis stehen (zum Beispiel 2/1). Außerdem müssen die LSA räumlich eng benachbart sein, weil sich andernfalls die Pulkform bis zur Ankunft an der nächsten LSA so stark auflöst, dass die Ankünfte praktisch gleichverteilt sind und die Wartezeit durch Wahl des Versatzes nicht beeinflusst werden kann. Deshalb ist es im Allgemeinen nicht sinnvoll, alle LSAs in einem Netz zu koordinieren. Sie legen fest, welche LSA koordiniert werden sollen, indem Sie Signalkoordinierungsgruppen definieren und ihnen LSAs zuordnen (Anwendung: Signalkoordinierungsgruppen verwalten). Standardmäßig sind LSAs keiner Signalkoordinierungsgruppe zugeordnet und werden nicht koordiniert.
Definieren Sie für jede Signalkoordinierungsgruppe die Menge der Umlaufzeiten, die für die zugehörigen LSAs erlaubt sind. Achten Sie darauf, dass die Umlaufzeiten eine Koordinierung überhaupt ermöglichen. Zwei LSAs mit Umlaufzeiten von 60 s und 65 s lassen sich prinzipiell nicht koordinieren, weil die Pulks in jedem Umlauf zu einer anderen Umlaufsekunde eintreffen. Gut geeignete Umlaufzeiten weisen deshalb ein kleines kgV (kleinstes gemeinsames Vielfaches) auf, beispielsweise die Familie { 60 s, 80 s, 120 s } mit kgV = 240 s. Die Signalkoordinierung optimiert Versatzzeiten für jede Signalkoordinierungsgruppe getrennt und berücksichtigt dabei nur diejenigen LSAs, deren Umlaufzeit zu den erlaubten Umlaufzeiten der Gruppe gehören. LSAs mit abweichender Umlaufzeit werden ignoriert. Im Meldungsfenster werden entsprechende Hinweise protokolliert.
Entscheidend für die Koordinierung ist das Verhalten der Fahrzeugpulks bei der Fahrt von einer LSA zur nächsten. Visum bestimmt Pulks anhand der Umlegungswege für ein oder mehrere ausgewählte IV-Nachfragesegmente. Aus allen diesen Wegen bestimmt Visum, wie viele Fahrzeuge auf ihrem Weg zunächst die Signalgruppe SG1 der LSA SC1 und als nächstes die Signalgruppe SG2 der LSA SC2 passieren. Wir bezeichnen eine solche Kombination aus zwei aufeinander folgenden Signalgruppen mit einer Belastung als Koordinierungsteilweg oder, kürzer, Teilweg.
Ein Teilweg ist relevant für die Koordinierung, wenn die folgenden Eigenschaften gelten:
- Der Teilweg beginnt und endet an LSA der gleichen Koordinierungsgruppe
- Der Teilweg enthält keine Knoten (Oberknoten) vom Steuerungstyp All-way-stop
- Der Teilweg durchläuft Knoten (Oberknoten) vom Steuerungstyp vorfahrtsgeregelt nur in Richtung des Hauptstroms
- Der Teilweg durchläuft keine anderen signalisierten Knoten (Oberknoten)
- Die Fahrzeit auf dem Teilweg ist kurz genug, sodass ein signifikanter Pulk erhalten bleibt (Präzisierung unten)
- Keine Strecke entlang des Teilwegs überschreitet einen Schwellenwert für die Auslastung
Alle Bedingungen – außer der ersten – zielen darauf ab, dass ein Pulk entlang des Teilwegs erhalten bleibt.
Für die Teilwege werden – wie oben beschrieben – die Fahrzeuge aus den Umlegungswegen ermittelt. Um einer Folge von Teilwegen bei der Optimierung einen höheren Einfluss zu unterstellen, können Sie benutzerdefinierte Wege anlegen und für diese ein Gewicht definieren. Wird dann für einen Teilweg festgestellt, dass er auf einem benutzerdefinierten Weg liegt, wird die Belastung entsprechend bei der Optimierung gewichtet.
Das Verfahren basiert auf den Umlegungswegen und optimiert die Signalisierung für diese Wege. Die Umlegungswege werden also in etwa wie Wunschwege behandelt. Deshalb ist es wichtig, dass sie auch möglichst solchen idealen Wegen entsprechen. Es ist also insbesondere darauf zu achten, dass die Umlegungswege nicht von einer bestehenden (nicht-optimalen) Signalisierung beeinflusst sind.
Am besten lässt sich dies durch eine robuste statische Umlegung erreichen, bei der erwünschte Wege (z.B. entlang einer LSA-Koordinierungsgruppe) besonders attraktiv sind. LSA und andere Wartezeiten an Knotenpunkten können durch die üblichen pauschalen Abbiegerzuschläge modelliert werden. Das untergeordnete Netz sollte durch langsame Basis-Geschwindigkeiten (v0, Geschwindigkeit im unbelasteten Netz) ausreichend unattraktiv werden. Das Ziel der statischen Umlegung ist nicht die möglichst genaue Abbildung des Ist-Zustands, sondern die Erzeugung der erwünschten und auch realistischen Umlegungswege, für die die Signalisierung optimiert werden soll.
Die Optimierung behandelt den Verkehrsablauf auf allen Teilwegen unabhängig voneinander. In jedem Fall wird unterstellt, dass innerhalb eines Umlaufs alle Fahrzeuge als Pulk zu Beginn der Grünzeit starten. Das heißt, beginnend mit dem Grünanfang fließen Fahrzeuge mit der Sättigungsverkehrsstärke qmax ab, bis die Belastung pro Umlauf erschöpft ist. Dabei gilt Folgendes:
Hier ist N die effektive Anzahl Fahrstreifen für den Abbieger. Reicht die Grünzeit nicht aus, um die auf einen Umlauf entfallende Belastung aus der Umlegung bei qmax abfließen zu lassen, ignoriert Visum die überschießende Belastung.
Die allein durch unterschiedliche Fahrzeuggeschwindigkeiten bewirkte Auflösung des Pulks beschreibt die Pulkentwicklungsformel nach Robertson. Dieses Modell unterteilt die Zeit diskret in Zeitschritte (in Visum jeweils 1 s) und stellt die Zahl der zum Zeitpunkt t‘ am Ende eines Teilwegs ankommenden Fahrzeuge als Funktion der Zahl zu Zeitpunkten t < t‘ am Beginn des Teilwegs abfahrenden Fahrzeuge dar.
wobei
q‘t |
Zahl der am Ende des Teilwegs in Zeitschritt t ankommenden Fahrzeuge |
qt |
Zahl der am Beginn des Teilwegs in Zeitschritt t abfahrenden Fahrzeuge |
F |
mit vorgegebenen Konstanten α und β |
T |
die Fahrzeit takt auf dem Teilweg |
Für die Berechnung der Staulängen wird idealisierend unterstellt, dass für getrennte Signalgruppen an einer Zufahrt getrennte Fahrstreifen ausreichender Länge existieren. Generell geht Visum bei der Signalkoordinierung von „vertikalen“ Staus aus, berücksichtigt also keinen Rückstau stromaufwärts über mehrere Strecken hinweg oder mit Auswirkungen auf die Kapazität der Abbieger anderer Signalgruppen.
Für die Bewertung der Koordinierungsqualität berechnet Visum eine Reihe von Kenngrößen, die in der Literatur verbreitet verwendet werden. In den nachfolgenden Formeln bezeichnet stets CT die Umlaufzeit, GT die Grünzeit und qt die Zahl der am Knoten ankommenden Fahrzeuge im Zeitschritt t.
Pulkindex = wobei
Diese Größe misst den „Abstand“ eines Belastungsprofils von einer Gleichverteilung. Der Wert variiert von 0 (Gleichverteilung) bis 2 (für einen ausgeprägten Pulk). Ein hoher Wert bedeutet, dass sich Koordinierung an diesem Knoten lohnt, weil die Fahrzeugankünfte auf einen Teil der Umlaufzeit konzentriert sind, sodass eine Chance besteht, durch Änderung der Versatzzeit die Grünzeit dorthin zu verschieben.
Fahrzeuge bei Grün = .
Diese Größe misst unmittelbar, wie gut die Koordination wirkt. Sie ermittelt, welcher Anteil der Belastung den Knoten ohne Halt an der LSA passiert.
Pulkverhältnis =
Diese Größe misst ebenfalls, wie gut die Koordination wirkt, wobei hohe Werte gute Koordination bedeuten. Besonders hohe Werte werden dann erzielt, wenn ein hoher Anteil von Ankünften bei Grün eintrifft, obwohl der Grünzeitanteil selbst klein ist.
Das Pulkverhältnis PV ist die Grundlage für die in Wartezeitberechnungen gemäß HCM wichtige Größe ArrivalType (Ankunfts-Typ).
ArrivalType =
Die Staulänge queuet an einer Signalgruppe zur Umlaufsekunde t ergibt sich als Differenz kumulierter Zu- und Abflüsse. Visum ermittelt bei dieser Berechnung auch die Verweildauer von Fahrzeiten mit gegebener Ankunftszeit in der Schlange und daraus die mittlere und Gesamtwartezeit.
Eingabe-Attribute mit Wirkung bei der Signalkoordinierung
Die Signalkoordinierung greift auf die in Tabelle 121 dargestellten Netzobjekte und Eingabe-Attribute zu.
Hinweis: Attribute der Knotengeometrie, beispielsweise die Haltlinienposition, wirken bei der Signalkoordinierung nicht. |
Netzobjekt |
Attribute |
Bemerkung |
IV-Wege der ausgewählten Nachfragesegmente |
Belastungen aus Umlegungswegen |
Aus Umlegung. Bei dynamischen Umlegungswegen (SBA, PDV) können Belastungen auf einen Zeitbereich eingeschränkt werden. Wird der Zeitbereich nicht eingeschränkt und werden Belastungen (AP) verwendet, ist ein Faktor für eine Umrechnung in Stundenbelastungen anzugeben. |
IV-Wegemenge mit benutzerdefinierten IV-Wegen |
Gewichtungsattribut |
Wert des Gewichtungsattributs (BDA) am benutzerdefinierten Weg der ausgewählten Wegemenge |
Verkehrssystem |
Pkw-Einheiten |
Umrechnung der Belastungen in Pkw-Einheiten Dieser Wert wird benutzt, um festzustellen, ob ein Teilweg den Schwellenwert für die Auslastung überschreitet. |
Strecken |
Kapazität IV |
Die Kapazität wird benutzt, um festzustellen, ob ein Teilweg den Schwellenwert für die Auslastung überschreitet. Statisches Umlegungsergebnis: Auslastung als Belastung in PCU/Kapazität Dynamisches Umlegungsergebnis: Belastung in PCU/ Kapazität. Beide Werte gehen als Stundenwerte ein. |
Strecken, Abbieger, Oberabbieger |
Ein frei wählbares Attribut |
Wird als Fahrzeit interpretiert und zur Ermittlung der Fahrzeit auf einem Teilweg aufsummiert. |
LSA mit allen Bestandteilen |
Alle |
Signalzeiten und Umlaufzeit des aktuell eingestellten Signalprogramms, Zuordnung von Signalgruppen zu Fahrstreifenabbiegern, Wahl einer Referenz-LSA, die Versatzzeit = 0 erhält. |
Signalkoordinierungsgruppen |
Umlaufzeitfamilie und zugeordnete LSA |
Gruppierung der gemeinsam zu koordinierenden LSA |
Tabelle 121: Eingabe-Attribute mit Wirkung bei der Signalkoordinierung
Ausgabe-Attribute bei der Signalkoordinierung
Die Wirkung der Signalkoordinierung besteht in erster Linie darin, das Attribut Zeitversatz der aktuellen Signalprogramme der koordinierten LSA mit dem optimalen Wert zu belegen.
Daneben können alle oben aufgeführten Kenngrößen zur Messung der Koordinierungsqualität berechnet werden. Ihre Definition bezieht sich zunächst auf einen einzelnen Teilweg. Damit Sie Ergebnisse leichter in einer Netzgrafik darstellen können, aggregiert Visum die Werte aller Kenngrößen auf Strecken und legt die Ergebnisse in Streckenattributen ab. Visum belegt die Attribute an allen Zufahrtsstrecken zu signalisierten Knoten, die eine Belastung > 0 aufweisen. Alle Streckenattribute für Ergebnisse der Signalkoordinierung sind in der Tabelle 122 enthalten.
Hinweis: Das Attribut LSA-Koordinierung Ankunfts-Typ ist durch den Namensbestandteil LSA-Koordinierung als Ausgabe der Signalkoordinierung gekennzeichnet. Es ist nicht identisch mit dem Attribut ICA Arrival Type, das als Eingabe für die ICA-Berechnung dient. Wenn Sie die ICA-Widerstandsberechnung mit einem ArrivalType durchführen wollen, der den eingestellten Versatzzeiten entspricht, führen Sie zuvor das Verfahren Analyse der LSA-Versatzzeit aus und kopieren Sie die Werte von LSA-Koordinierung Ankunfts-Typ in das Attribut ICA Arrival Type. |